• Welches Empowerment-Training hast Du/ haben Sie besucht?

Ich habe an der „Empowerment-Schulung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention für behinderte und chronisch kranke Menschen“ von Oktober 2014 bis Mai 2015 in Erkner bei Berlin teilgenommen. Meine Empowerment-Trainerinnen waren Eileen Moritz und Meike Günther. Das Motto „Stärker werden und etwas verändern“ gefiel mir, das Logo mit der kleinen Rakete hatte meine Aufmerksamkeit geweckt. 

  • Warum hast Du / haben Sie an einem Empowerment-Training teilgenommen?

Ich habe teilgenommen, weil ich mich ohnmächtig fühlte. Ich war zuvor lange krank gewesen mit einer akuten Depression und Angsterkrankung. Ich war mehrmals stationär im Krankenhaus und bin jedes Mal schlimmer raus als rein. Ich habe dort einige schlimme Dinge erleben müssen. Mit dem Gesundwerden ging es leider nur sehr langsam voran, ich konnte schon seit über zwei Jahren nicht mehr arbeiten und erkundigte mich bei der Agentur für Arbeit nach Möglichkeiten der beruflichen Wiedereingliederung oder einer Weiterbildung (obwohl ich noch gewisse Beeinträchtigungen hatte). Alle meine Vorschläge wurden abgelehnt. Stattdessen wurde mir Verrentung vorgeschlagen, wahlweise eine neue Grundausbildung im handwerklichen Bereich. Mit einer psychischen Erkrankung könnte ich doch nicht mehr als Politikwissenschaftlerin arbeiten, ich müsse mal auf dem Boden der Realität ankommen (undsoweiter)… Ich wurde genötigt, eine „berufliche Reha“ im Berufsförderungswerk (BFW) mitzumachen, in der geprüft wurde, ob ich lesen und schreiben könne, ob ich rechnen könne, wie gut ich im Schraubendrehen und im Löten sei. In den letzten beiden Disziplinen schnitt ich eher schlecht ab, weil ich aufgrund meines Händezitterns (Medikamenten-Nebenwirkung) nicht so viele Schrauben pro Minute schaffte, wie laut Vorgabe nötig gewesen wären. Beim Löten produzierte ich Kurzschlüsse. Kurz und gut: Ich brauchte eine neue, eine andere Perspektive.

  • Mein Herz schlägt für Empowerment, weil…

… die Schulung meine Erwartungen erfüllt und sogar übertroffen hat. Sie hat mich gestärkt, mir Mut gemacht und Kraft gegeben. Das hat mir auch gesundheitlich gut getan – und wirkt bis heute positiv nach! Ich bin sehr dankbar.

  • Wie hat sich dein/ Ihr Alltag verändert durch das Empowerment-Training?

Durch das Empowerment-Training hat sich mein Selbstbewusstsein verbessert und ich habe mehr Mut, für meine Rechte einzutreten – ganz allgemein, aber insbesondere im Gesundheitswesen, weil ich mich als „psychisch Kranke“ hier besonders diskriminiert fühle. Wenn mich etwas stört (z.B. wenn meine Ärztin mir hochriskante Medikamente vorschlägt, die ich nicht nehmen will oder wenn ich zu „Therapien“ genötigt werde, die sich bereits nachweislich schädigend bei mir ausgewirkt haben), sage ich jetzt öfter „NEIN“. Und ich spüre einen Rückhalt, wenn ich an die Situation der Empowerment-Schulung zurückdenke, an die Trainerinnen und die anderen Teilnehmer*innen. Und das gibt mir Kraft.

  • Mein schönster / größter Erfolg durch das Empowerment:

Ich würde eher von vielen kleinen Erfolgen sprechen: Bei der Agentur für Arbeit habe ich nicht aufgegeben und solange „NEIN“ gesagt, immer und immer wieder, bis ich tatsächlich meine Weiterbildung (als Fundraiserin) erwirken konnte. Ich sage bei Ärzt*innen nun viel öfter, was ich denke, insbesondere wenn mich Dinge stören. Ich habe sogar bereits einmal Patientenunterlagen von mir angefordert und die abschätzigen Bemerkungen der Ärztin durchgestanden, die mir zunächst nichts aushändigen wollte (dabei ging es „nur“ um augenärztliche Unterlagen, nicht um psychiatrische). Ich habe nicht aufgegeben und schließlich erhalten, was ich wollte.
Eine Sache, die ich in der Schulung gelernt habe, war für mich ganz essentiell: Und zwar, dass ich selbst in scheinbar ausweglosen Situationen, die ich nicht unmittelbar beeinflussen kann (z.B. im Krankenhaus) zumindest meine Einstellung ändern kann. Wenn ich mich in meinen Rechten verletzt fühle und scheinbar nichts tun kann, so kann ich doch sagen oder denken: „Ich bin Zeugin. Was Sie hier tun, verstößt gegen die Menschenwürde – meine oder die einer anderen Person, es verstößt gegen die UN-Behindertenrechtskonvention. Ich kann vielleicht gerade nichts ändern, aber ich kann bezeugen, was hier geschieht und das werde ich tun, wenn es mir wieder besser geht.“
Dieser Satz „Ich bin Zeugin.“ wurde von meiner Empowerment-Trainerin Eileen Moritz in der Vorbereitung für ein Rollenspiel formuliert. Dieser Satz hat in mir ganz viel ausgelöst, weil er das Gefühl der Ohnmacht und der Hilflosigkeit ein ganzes Stück weit auflösen konnte. Selbst wenn ich nicht unmittelbar eingreifen kann, so kann ich doch eine starke innere Einstellung entwickeln (und, nicht zu vergessen, ich kann mir eine Rechtsschutzversicherung besorgen sowie eine Vorsorge-Vollmacht und eine Patienten-Verfügung ausfüllen), was mir Kraft gibt und etwas die Angst vor ähnlichen Situationen nimmt, die sich womöglich zukünftig ereignen könnten – falls ich nochmals in eine ähnliche Situation kommen sollte.

  • Mit Empowerment und Empowerment-Trainings werden oft folgende Aussagen verbunden, welche treffen auf Deine/Ihre Erfahrungen zu?

- Bewusstsein für die eigene unveräußerliche Würde entwickeln

- Handlungsfähigkeit gewinnen, aktiver Umgang mit Problemen

- Probleme als Herausforderungen begreifen

Ergänzung:

  1. Mir der Diskriminierung(en) bewusst werden, die ich aufgrund meiner psychischen Erkrankung erlebt habe (v.a. im Gesundheitssystem, aber auch in der Agentur für Arbeit).
  2. Erlebnisse einordnen und verarbeiten. Kraft tanken.
  3. Mir meiner Rechte als Mensch und als Patientin bewusst werden und wie ich diese zukünftig besser wahren kann (z.B. durch Peer-Counseling, Wissen, wo ich mich beschweren kann, Rechtsschutz, Vorsorge-Vollmacht, Patient*innen-Verfügung).
  4. Das Private als Politisch begreifen!

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